Zeugen Jehovas deuten an, dass die Möglichkeit besteht, dass Harmagedon unter Umständen noch dieses Jahr kommen könnte. Wieder mal.

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Es sind bloß zwei Zeilen im internen monatlichen Memo Unser Königreichsdienst vom März 2014 – aber sie dürften aufmerksame Zeugen Jehovas in Wallung bringen. Denn sie deuten an, dass Harmagedon aus Sicht der Wachtturm-Gesellschaft noch dieses Jahr kommen könnte.

Im Königreichsdienst liest man auf Seite 2 in der Ankündigung für das Gedächtnismahl der Zeugen Jehovas am 14. April:

Bildschirmfoto 2014-01-22 um 15.16.59

Übersetzt lautet die Passage auf deutsch: „Wird dieses Gedächtnismahl unser letztes sein? Wir wissen es nicht.“ Im aufgeführten Bibelvers im 1. Korintherbrief 11:26 liest man:

26 Denn sooft ihr dieses Brot eßt und diesen Becher trinkt, verkündigt ihr immer wieder den Tod des Herrn, bis er gekommen ist.

Was passieren soll, wenn der Herr kommt, ist klar. Im Königreichsdienst sagt die Wachtturm-Gesellschaft, dass sie nicht wissen, ob es das letzte Gedächtnismahl sein wird. Logisch. Der Knackpunkt:

Es gibt überhaupt keinen Grund, diese rhetorische Frage zu stellen und zu erwähnen, dass man nicht weiß, ob dieses Gedächtnismahl das letzte sein wird.

Alles, was die Wachtturm-Gesellschaft damit erreicht ist, dass die wildesten Spekulationen aufblühen werden. Es wird Panik geschürt, es werden unter Umständen Menschen, die ihr ganzes Leben diesem Glauben gewidmet haben, falsche Hoffnungen gemacht. Und das in dem Jahr, in dem sich der Anfang der Endzeit zum 100. Mal jährt. Ironie: Noch vor ein paar Monaten wies die Wachtturm-Gesellschaft ihre Jünger an, das Spekulieren zu unterlassen. Glaubensgeschwister, die über das Ende spekulierten, wären gar „falsche Apostel“ (eine milde Form der Abtrünnigkeit, wie jwsurvey.org kommentiert). Die Frage muss erlaubt sein, ob sich die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas mit diesen Zeilen nicht selbst zum falschen Apostel macht, vor dem sie warnen.

Dass die Wachtturm-Gesellschaft mit diesen zwei Zeilen subtil impliziert, dass Harmagedon in diesem Jahr möglich ist, ist bemerkenswert. Nicht nur nimmt sie damit einen neuerlichen Hype bewusst in Kauf; meines Wissens ist das seitens der Zeugen Jehovas seit Jahren die konkreteste Äußerung zum möglichen Zeitpunkt Harmagedons.

Jeder kennt die Fabel vom Hirtenjungen und dem Wolf. Die Kurzfassung:

Die Hauptperson der Fabel ist ein Hirtenjunge, der aus Langeweile laut „Wolf!“ brüllt. Als ihm daraufhin Dorfbewohner aus der Nähe zu Hilfe eilen, finden sie heraus, dass falscher Alarm gegeben wurde und sie ihre Zeit verschwendet haben. Als der Junge kurz darauf wirklich dem Wolf begegnet, nehmen die Dorfbewohner die Hilferufe nicht mehr ernst und der Wolf frisst die ganze Herde (und in manchen Versionen auch den Jungen).

Seit ihren Anfängen brüllt die Wachtturm-Gesellschaft immer wieder „Wolf!“ bzw. Harmagedon. Zuletzt 1925 und 1975. Immer wieder vertrauten treue Mitglieder auf die Mahnungen der Wachtturm-Gesellschaft, verkauften teilweise Hab und Gut, gaben alles auf für die Zeugen Jehovas. Natürlich kam Harmagedon nicht und die Gläubigen guckten dumm aus der Wäsche.

Sollten diese verantwortungslosen Zeilen Spekulationen innerhalb der Organisation auslösen, darf sich die Wachtturm-Gesellschaft nicht wundern. Der Hirtenjunge hat nicht dazugelernt. Gut, natürlich wissen wir nicht mit letzter Sicherheit, ob die eingangs erwähnten Zeilen genau so gemeint waren. Mir fallen so gut wie keine anderen Gründe ein. Was wir jedoch wissen: Den Wolf gibt es nicht. Er wird nicht kommen. Egal, wie lange der Hirtenjunge „Wolf!“ brüllt.

Misha Anouk bei Twitter, Ich bin geistig krank bei Facebook.

Vorschaubildnachweis: Against all Odds

11 Gedanken zu “Zeugen Jehovas deuten an, dass die Möglichkeit besteht, dass Harmagedon unter Umständen noch dieses Jahr kommen könnte. Wieder mal.

  1. borgesSven

    Das Schlimme daran ist, dass unendliche viele Zeugen (darunter auch meine Eltern) solche Bemerkungen aufsaugen, wie vertrocknete Schwämme. Vor allem die Älterern und solche, denen die Lebensscheiße schon bis an den Hals steht. Dass mit solchen Aussagen Angst geschürt wird, ist schon schlimm genug. Aber viel übler ist das perverse Anheizen von utopischen Hoffnungen bei denen, die ihr jetztiges Leben schon total aufgegeben haben und gierig jeden Strohhalm ergreifen, der ihnen die Erfüllung lebenslang gehegter Glücksverheißungen verspricht.

  2. Marius

    Ein uralter Trick. Erinnert mich an einen Streich, bei dem per Lautsprecherdurchsage immer wieder freundlich verkündet wurde, dass „alles in Ordnung ist, kein Grund zur Beunruhigung“. Der Effekt ist natürlich, dass sich alle wundern was das soll und erst recht unruhig werden.

    Erst im November wurde ja im Wachtturm den Gläubigen eingeschärft, sie sollten der Organisation gegenüber gehorsam sein, selbst wenn ihre Anweisungen unsinnig erscheinen. Denn die Organisation weiß schon, wie man durch die Große Bedrängnis kommt.

    Das trägt alles zu einer gereizteren Stimmung bei – „irgendwas braut sich zusammen“, „wir müssen die Reihen schließen“. Fragt sich halt wie lang der Effekt anhält wenn wieder nix passiert. Ich glaube dass das maximal ein paar Nicht-mehr-so-Aktive für ein paar Monate aufrütteln kann. Wenn man sich so die Taufzahlen in Europa anschaut spielen da immer weniger Neue mit, seit den 1990ern geht’s ja deutlich bergab.

  3. Paul

    Solche Kommentare standen schon in meiner Jugend im Königreichsdienst (und ich bin schon ziemlich alt ;-> ). Oder Kreisaufseher haben das auf den nächsten Kongress bezogen. Und wie borgessven schreibt fahren/fuhren alle darauf ab. Wie von der WTG geplant. Die dann im Folgejahr schrieb: „Einige haben das falsch verstanden und sich deshalb mit vielen Schmerzen durchbohrt. Sie können dafür aber dankbar sein, weil sie dadurch jetzt ihren Glauben in großartiger Weise beweisen können.“ Dieselbe Verarsche gab es auch in Bezug auf den Ersatz-/Zivieldienst und war für mich ein wichtiger Meilenstein bei meinem Ausstieg 🙂

  4. maik

    Wieder einmal…
    Eine Frechheit. Mein Opa hat ’75 sein großes Haus verkauft und alles Erspartes sowie das Geld dass er für das Haus bekam der Gesellschaft vermacht. Das Ende ist bekannt… Es kam nicht. Und bis heute wartet er treu und geduldig darauf. Er wurde für kritische Fragen praktisch mit Isolation bestraft. Was er alles gegeben hat für die Organisation zählt irgendwie nicht. Und ich meine nicht nur materielles. Aber er sieht es als Prüfung. Und diese Hoffnung sollte man ihm auch nicht nehmen. .. was hat er sonst noch nach 50 Jahren in der „Wahrheit“?

  5. Aus Sicht der Sekte..und mit Blick auf deren krude zusammengestoppelte „Zeitrechnung“ ist diese neuerliche Spekulation nur logisch. Schliesslich sind in diesem Jahr die ersten 100 Jahre Regentschaft des 1914 wieder aufgerichteten messianischen Königreiches vorbei. Bei „weltlichen“ Regierungen zieht man nach den 100 ersten Tagen eine vorläufige Bilanz..bei Gottes Königreich dürfens dann statusangemessene 100 Jahre sein. Allerdings fällt diese Bilanz…sagen wir mal milde gestimmt->…extrem mager aus..In den, in jedem Königreichssaal zu findenden geistigen Paradiesen herrschen fast die gleichen Zustände, wie im bösen „Weltreich der falschen Religion“…statt über die Neue Welt und ihre Bewohner zu herrschen, muss sich die „Organisation“ vor US-Gerichten für ihren Umgang mit Kindesmissbrauch rechtfertigen und sieht massiven finanziellen Einbussen entgegen…sinkende Mitgliederzahlen werden mit der Einführung einer „Kindertaufe“ bekämpft…der Versuch, in Deutschland endlich „Kirche“ sein zu dürfen, ist nur bedingt von Erfolg gekrönt….die Liste „messianischer“ Fehlleistungen liesse sich noch seitenweise fortsetzen. Damit einem unter diesen Umständen nicht auch noch die letzten „Getreuen“ davonlaufen bleibt dieserSekte nichts anderes übrig, als mit schwammigen..später jederzeit als „das-haben-wir-aber-so-nie-gesagt“- Aussagen wegzuwischendem Spekulationsstoff für grosse Erwartungen und Hoffnungen zu sorgen. dazu passt dann auch die im Wachtturm veröffentliche Aussage, den ältesten..und der „Organisation“ blindlings zu folgen…egal wie abstrus deren Anweisungen auch sein mögen. Herr..schmeiss Hirn ra…und sorg dafür, dass es trifft !!!

  6. Sparlock

    Tja, Harmagedon eben, seit 100 Jahren DAS Marketing-Instrument bei den Zeugen. Nicht nur, dass man damit Leute an Land ziehen kann, die gerne „gerettet“ werden wollen. Nein, viel wichtiger ist es, um den Zeugen Druck zu machen, wenn es darum geht mehr und intensiver zu predigen. Nie stand Harmagedon so kurz bevor wie heute, gleich da um die Ecke, da lauert es schon, schnell noch mal für die letzten Monate in diesem alten System Pionier oder wenigstens Hilfspionier werden und ein paar Menschen retten.

    Das bringt neue Mitglieder und die bringen Geld. Und wer so intensiv predigt hat auch keine Zeit auf dumme Gedanken zu kommen und der Organisation als zahlendes (spendendes) Mitglied verloren zu gehen. Tragisch, dass die Mitglieder nach so vielen Jahrzehnten immer noch nicht gemerkt haben, das man das Spiel mit den ganzen Generationen vor ihnen genau so gespielt hat und das man plant die Generationen nach ihnen genau so zu beschäftigen.

    Harmagedon, eine tolle Geschäftsidee, wenn es das nicht schon gäbe, man müsste es glatt erfinden.

  7. jetztprobierichdasmal

    Nichts Neues, oder? Als Zeuge Jehovas soll man doch immer in dem Bewusstsein leben, dass Harmagedon vielleicht morgen schon kommt. Auf diese Weise erinnern sie die Bruderschaft hin und wieder daran. Welcher Satz hat mich damals, als ich noch Mitglied war, so berührt? „Lebe so, als ob morgen Harmagedon käme, aber plane dein Leben, als ob Jehova erst nach deinem Tod eingreift.“

  8. josef schneider

    Hab diesen artikel zufällig gelesen und möchte nur kurz schreiben.
    Ich war vor langer zeit mal ein sogenannter ältester in dieser gemeinschaft und dachte auch das ich die wahrheit wüsste.
    Heute muss ich darüber lachen und wundere mich immer wieder über die hohe schmerzgrenze dieser anhänger.
    Das alles hat es zu meiner zeit auch schon gegeben und natürlich ist nichts dergleichen eingetroffen.
    Diese organisation agiert menschenverachtend und ist als religion gesehen eine der intoleranntesten auf unserem planeten.
    Egal welches leid auch immer eines mitglieds zugefügt wird……..die verantwortlichen werden sich ohne gewissensbisse abschütteln und sagen…….das ist ja der wille jehovas.
    Damit ist jeder willkür tür und tor geöffnet und stehts wird niemand verantwortung für die folgen seiner handlung übernehmen.
    Das ist das üble an diesem glaubenssysthem.
    Ich habe sehr viele liebe menschen in dieser gemeinschaft kennengelernt und jeder der noch damit behaftet ist tut mir von herzen leid.
    Aber egal…..es war interesannt wieder was neues zu lesen.
    In dem sinne…….alles gute euch allen.

    • Ringo

      Mh, ich habe diesen Artikel im KD auch gelesen- und ich wäre sehr froh darüber, wenn diese grausame und lügnerische Welt bald uzende wäre! Doch niemand weiß den Zeitpunkt als nur der Vater denn wenn es nach mir ginge, hätte ich dem ganzen grausamen Dingen auf Erden schon ein Ende gesetzt! Doch zum Glück geht es dabei nicht um einen kurzsichtigen Menschen, sondern um ein höheres Ziel, die Rechtfertigung der Herrschaft Gottes.

      Nur er hat die Weitsicht um diese Sache also dem Ende dieser Kranken Welt zu Ende zu führen, es ist ja auch seine Schöpfung;)

      Aber laut 2 Korinther wissen wir ja wer die Sicht der Ungläubigen verblendet und glaubt mir, die Welt hat noch viel krankhaftere Ideen und Vorhersagen, die sich fast nie Erfüllen!

  9. yase

    Hallo
    Ich war selbst früher eine Zeugin Jehovas , bin mit 16 Jahren da rausgegangen. Mitlerweile bin 24 Jahre alt.
    Jahrelang hab ich bewusst davon Abstand genommen, doch seit geraumer Zeit hab ich wieder angefangen mich mit der Bibel zu beschäftigen. Natürlich weiß keiner von uns wann Hamagedon kommt, aber Zeuge jehovas hin oder her, wird trotzdem sei es die Bibel der Koran wird immer dieser Tag angekündigt.
    Viele Glauben daran , aber ein großer Unterschied besteht, die zeugen jehovas richten sich strickt nach der Bibel wo andere nur sagen ich glaube an Gott und das reicht. Natürlich ist es schwierig sich daran zu halten, aber ganz ehrlich wenn man genau hinguckt sind das nicht schlimme Dinge ganz im Gegenteil sie tragen zu einer positiven Gesellschaft bei. Ich kenn beide Seiten jede Seite hat ihre schönen Seiten aber auch nicht so gute. Aber die Gemeinschaft den Zusammenhalt und den tiefen Glauben hab ich nur da kennengelernt. Es gibt vieles was an den Zeugen Jehovas kritisiert wird oder es wird gesagt das und das wurde gemacht. Aber viele vergessen das Zeugen Jehovas auch Menschen sind und Fehler machen und natürlich wird das dann eher gesehen als das viele positive. Es wurde auch gesagt das Kinder zu vielen Dingen gezwungen werden, es mag sein das das passiert ist, aber es hatte demmoment nicht mehr mit dem Glauben zu tun sondern mit den Eltern. Die haben den Fehler gemacht. ..es wird gelehrt nicht mit zwang was zu machen. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen ich wurde nie zu was gezwungen. Ich finde es schade das einige die selbst darin waren so schlecht alles machen. Es passieren immer Fehler aber man muss dann zwischen Glauben und Mensch unterscheiden.

  10. Godbydevil

    Der Austeiger entwickelt Belastungseifer, weil er im inneren noch den moralischen Kodex der Bibel spürt. Alles was er dagegen tun kann ist anzugreifen um seine Schuldgefühle zu rechtfertigen. Man entwickelt ein Aussteiger Ego und wird zynisch.

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